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Khodâ hâfez - Iran Teil II.



Unser lang ersehntes Etappenziel Esfahan wartet auf uns ...



Inzwischen ist die Temperatur auf über 38° C. gestiegen und wir fahren von Schatten zu Schatten. Das sind wir ja schon fast, aus dem letzten Jahr an der Adria und dem Mittelmeer, gewohnt.

Knapp an der Schmerzgrenze … wir genießen die bizarren Naturlandschaften und hoffen auf frisches Gemüse und kalte Limonade im nächsten Ort.

Fast täglich werden wir tagsüber auf der Straße von Menschen angehalten, die uns begrüßen wollen. Ein älterer Herr bedankt sich bei uns, dass wir sein Land bereisen.

Ein Autofahrer, der uns gerade überholt hat, wendet an der nächsten Biegung und holt uns nach ein paar Minuten wieder ein. Er bedeutet uns zu halten. In der einen Hand eine Tüte.

Darin befindet sich eine Flasche Wasser und ein paar Süßigkeiten. Außerdem hat er noch zwei Eis am Stiel in der Hand, die er uns offeriert. Wir wechseln ein paar spärliche, englische Worte und sind wie immer völlig beeindruckt von dieser unglaublichen Gastfreundschaft dieser Menschen. Wir schütteln die Hände und bedanken uns. Dann setzten alle ihren Weg mit einem breiten Lächeln fort.

Überall ertönt es jetzt: „Hello Mister! How are you?“

Diesen Satz hört man überall im Iran, obwohl Derjenige gar kein Englisch spricht, …

Wenn man darauf antwortet und eine Gegenfrage stellt, wird man nur ungläubig angeschaut.

Und ich weiß auch nicht, aus welchem amerikanischen Film die jungen Burschen auf dem Land und sonst wo diesen Satz herhaben, aber es ist einfach eine lieb gemeinte Begrüßung, auf die man aber besser nicht eingeht, sondern einfach nur mit: „Hello“ antwortet. Nach dem gefühlten tausendstem Mal muss man sich aber gehörig anstrengen, mit echter Freude und Enthusiasmus zu antworten. Ganz anders in den großen Städten. Sehr viele Menschen sprechen uns in lupenreinem Englisch oder sogar Deutsch an. Nach nur wenigen Minuten wird hier sofort klar, dass sehr viele Menschen eine ausgezeichnete Bildung genossen haben und Ihr Allgemeinwissen im Vergleich mit europäischem Standard sich auf gar keinen Fall verstecken muss. Im Gegenteil.


Da wir bald Esfahan erreichen, habe ich auf Couchsurfing unsere Route veröffentlicht.

Eine Simkarte hatte ich in Astara problemlos in einem Telefonshop erhalten.

Das Netz ist gut ausgebaut. Es melden sich ein paar Leute. Die Meisten wollen sich noch als Guide ein Zubrot verdienen; also auch hier Vorsicht geboten. Nicht alles ist, wie es scheint, …

Ich schreibe nur eine Person an, die mir auf den ersten Blick auf dem Profilbild sympathisch erscheint. Ein wenig später lädt er uns zu sich nach Hause ein und wir sind wieder einmal froh über die unendliche Gastfreundschaft.


Wir landen in einem kleinen Vorort von Esfahan: Chomeinischahr.

Wir sind weit über 100 km gestrampelt und heilfroh, dass wir unseren Gastgeber nun bald gegenüberstehen. Schnell kaufe ich im nächsten Shop noch ein paar Mitbringsel für die Gastgeberfamilie. Ich finde, das ist das Mindeste. Ein paar Flaschen Limonade, Chips und Süßigkeiten. Die Iraner lieben Süßes!

Dann stehen wir unserem Gastgeber Hoijat vor seinem Haus gegenüber.

Er erwartet uns und es ist, als würden wir uns schon lange kennen und umarmen uns.

Schnell sind die Räder im Hof untergebracht und wir lernen seine Frau und seinen Sohn kennen. Mehr Sympathie kann uns nicht entgegentreten. Uns fällt ein Stein vom Herzen, dass das Schicksal es so gut mit uns meint. Unser Gastgeber spricht ganz gut Englisch. Seine Frau Mazih leider kaum, dass sie aber locker durch ihr strahlendes Lächeln ausgleicht. Ihr sechzehn Jahre alter Sohn Sorush spricht fließend Englisch und lernt gerade Deutsch und übernimmt so den Part eines Übersetzers. Nach ausreichend Çhai und einem guten Abendessen dürfen wir unser Nachtlager im Innenhof ihres Hauses ausbreiten. Auf einem Perserteppich machen wir es uns unter sternenklarem Himmel in unseren Schlafsäcken bequem. Ich lausche noch dem Gebet der nahen Moschee bevor ich in tiefen Schlaf versinke. Momente, die man nie vergisst.




Am nächsten Morgen serviert uns Hoijat ein Frühstück aus Sangak, also richtige Brotfladen frisch gebacken, natürlich Çhai, Butter, Marmelade, ein paar Spiegeleier und iranischen Honig.

Das Ganze auf einem Perserteppich im schattigen Hof seines Hauses. Wir plaudern noch bis Mittag und lernen uns so noch weiter kennen. Schnell ist klar, dass wir uns irgendwie auf einer Wellenlänge befinden und da Hoijat heute seine Schwiegermutter besuchen möchte, die gerade aus dem Krankenhaus kommt und noch Hilfe von den Beiden braucht, nehmen Sie uns einfach mit …

wir gehen nur von einem kurzen Krankenbesuch aus, doch daraus wird ein mehrstündiges Zusammentreffen der Familie von Mazih. Wir lernen ihre Geschwister und Schwager sowie Vater, Mutter, Freunde und Nachbarn kennen. Alles ist sehr herzlich und wir genießen eine wirklich ungezwungene, familiäre Atmosphäre bei ausreichend Tee und Ghand, das sind die aus riesigen Zuckerhüten abgeschlagenen Zuckerbrocken, die es immer zum Tee dazu gibt. Wie auch in der Türkei, nimmt man ein Stückchen Zucker in den Mund und schlürft den Tee dazu …

Mazihs Schwester hat lange studiert, bevor sie Mutter wurde und spricht somit hervorragend Englisch und wir unterhalten uns mit der ganzen Familie über Gott und die Welt.

Sie alle sind sehr davon beeindruckt, dass wir mit den Fahrrädern schon so lange unterwegs sind. Natürlich sind sie auch neidisch auf unsere Freiheit, einfach auf und davon fahren zu können, und ich erkenne wieder einmal, was für ein großes Privileg das ist. Kurzerhand bekommen wir auch noch eine Suppe serviert. Die Gastgeberqualitäten des Irans sind unschlagbar!

Wir unterhalten uns angeregt bis zum Abend auch über politische Gegebenheiten, nicht nur im Iran. Auch hier stellen wir fest, dass die Iraner ihre Regierung nicht gutheißen, sich aber mit Allem arrangiert haben und einfach nur gut leben wollen. Übrigens kann Rane ihr Kopftuch in den Wohnungen und Häusern, in denen wir eingeladen sind, immer abnehmen. Ab und an verlässt irgendjemand den Raum, um zu beten. Auch das wird toleriert, genauso wie, dass die wenigsten in die Moschee gehen, die wir kennenlernen! Nachdem noch schnell die Tochter eines anwesenden Freundes telefonisch zum Treffen dazu bestellt wird, um ihre Englischkenntnisse unter Beweis zu stellen und wir natürlich freudig ihr Können gutheißen, machen auch wir uns wieder auf den Weg, um Mazihs Mutter ein wenig Ruhe zu gönnen, denn das ganze Treffen spielte sich mehr oder weniger um das Krankenbett der Bettlägrigen ab.

Wir tauchen weiter in das Leben der Iraner ein. Am Abend geht es in den nächsten Stadtpark.

Da die Iraner gerne essen und auch gerne gesellig sind, trifft man sich in einem der vielen Stadtparks zum Dinner oder Picknick. Schon wieder werden wir eingeladen … und lernen so noch einige Iraner mehr kennen. Auch Hoijats Eltern sind dabei und man füttert uns bis wir kaum noch sprechen können. Alles schmeckt übrigens hervorragend und eine Verständigung geht auch oftmals über das Essen, wenn die Sprache nicht übereinstimmt.


Der Imam - Platz von Esfahan. Riesiges Areal mit mehreren Moscheen.

In den nächsten Tagen erkundigen wir Esfahan.

Die Stadt ist einmalig und wir können uns kaum sattsehen an den Moscheen, Basaren, engen Gassen und Museen. Alles ist in einem exquisiten Zustand und wir verbringen einige Tage in dieser herrlichen Stadt.





Wir nutzen unseren Aufenthalt auch, um unser Visum zu verlängern.

Dafür sollte man einen Vormittag in der Polizeistation für Migration einplanen.

Wir fahren mit einem der zahlreichen Taxis am frühen Morgen zur Immigration und Passport Police in der Rudaki Street. Taxifahren kostete im Jahre 2019 so gut wie Nichts im Vergleich zu Europa. Für ein paar Kilometer haben wir keinen Euro ausgegeben … da kann ich die App Snapp nur empfehlen, die in den Großstädten sehr gut funktioniert und auch noch einen Preisvorteil garantiert. Spätestens um 9:00 Uhr sollte man sich in der Schlange, samt seiner Pässe, Visa, 2 Passfotos

(Frauen mit Kopftuch versteht sich) sowie etwas Bargeld und viel Geduld, mit zahlreichen Afghanen und sonstigen kuriosen Antragstellern vor dem Tor zum Hof des Gebäudekomplexes einfinden.

Im Innenhof vor der eigentlichen Behörde erhält man dann alle weiteren Informationen.

Hier läuft allerdings alles etwas anders, als man es von westlichen Behörden gewohnt ist. Eigeninitiative und Nachfragen sind hier obligatorisch. Benötigte Kopien kann man hier auch machen lassen. Alles ist durchorganisiert und nach drei bis vier Stunden und einem Erstgespräch beim Polizeichef, was denn unser Grund für die Verlängerung sei, haben wir unseren zusätzlichen

30 Tage Aufenthalt in der Tasche. Eine sofortige Kontrolle der erhaltenden Papiere beziehungsweise der Stempel mit den richtigen Daten vor Ort versteht sich von selbst!


Die Vank - Kathedrale

Das im 17. Jahrhundert erbaute armenisch - apostolische Kloster ist ein äußerst bemerkenswerter Bau. Auf dem Gelände befindet sich auch ein Museum, dass den Völkermord an den Armeniern versucht gerecht zu werden.











Das Museum

Wir sind sehr erleichtert, dass wir nun insgesamt zwei Monate in diesem fantastischen Land bleiben können. Ohne die Verlängerung hätten wir die über 2000 km auf dem Rad auch nicht geschafft und da wir nicht besonders gerne unsere Fahrräder in einen Bus oder Bahn laden, wie viele andere, können wir nun die restliche Strecke bis an den persischen Golf locker angehen lassen.

Wer übrigens den Iran auf eigene Faust und ohne Rad bereisen will, für den gibt es überall günstige Busverbindungen zu den großen Städten. Flughäfen in Tehran und Shiraz oder einfach mit dem Taxi fahren. Vor Ort findet man ohne Probleme ein Hotel, wenn man nicht all zu große Ansprüche stellt. Wir genießen noch ein paar Tage in dieser tollen Stadt und mit unseren neuen Freunden.

Das ein oder andere mal werden wir noch durch die Familien gereicht und abends sitzen wir in geselliger Runde bei viel Çhai mit Safrankandis oder Pullaki (unwiderstehlich gute, hauchdünne Safran Taler), lauschen traditioneller Musik auf der Tar (iranisches Saiteninstrument, welches ein wenig an die Sitar aus Indien erinnert) und plaudern philosophisch über das Weltgeschehen bis spät in die Nacht.



Safran ist allgegenwärtig

Imam Ali Square



Mazih ist eine hervorragende Köchin und bereitet uns eines Abends ein köstliches Sabzi zu.

Das ist ein beliebtes Schmorgericht mit Lammfleisch und verschiedenen grünen Kräutern, wie Bockshornklee, Petersilie und Ackerlauch und wahrscheinlich Spinat und Koriander; rote Bohnen sowie Safran Reis inklusive. Es schmeckt hervorragend und wir werden auch noch mit Sholed Zard zum Abschluss verwöhnt. Ein Safran – Reispudding! Hausgemacht eine Spezialität von höchstem Genuss! Natürlich revanchieren wir uns, indem wir uns an einer Bolognese versuchen, denn Nudeln werden sehr gern gegessen. Leider finden wir nicht die nötigen Zutaten, aber irgendwie machen wir das Beste daraus und improvisieren mit Rindfleisch und viel Fantasie.

Am Ende schmeckt es uns allen. Fleisch ist übrigens recht teuer. Brot dagegen kostet fast nichts …


Leider hat alles ein Ende und unser Visum zwingt uns, unsere neuen Freunde zu verlassen.

Wie immer sind die Strecken heraus aus Großstädten eher unangenehm. Es ist viel Verkehr und wir müssen uns an den Lärm und den Schmutz der Straße erst wieder gewöhnen. Man versüßt uns den Tag wieder einmal mit Geschenken am Wegesrand. Eis und Limonade finden zu uns und wir können so viel Freundlichkeit einfach nicht fassen. Das ist uns bisher in keinem anderen Land so ergangen und wird es auch nicht mehr. Wir sind überwältigt von der Herzlichkeit dieser Menschen. Ich wünschte wir selbst wären so, das würde die Erde zu einem besseren Ort machen.








Wir steuern das große Highlight eines jeden Iran Besuchs an: Persepolis.

Wir fahren über Pasargad, in der Provinz Fars. Auf 1900 Hm im Zentralland von Persien liegt hier die Grabstätte Kyros II., der als der Herrscher und Erneuerer des Persischen Reiches gilt.

Ca. 500 v. Chr. umfasste das Reich eine Größe von Indien bis Ägypten ehe es von Alexander des Großen zerstört wurde. Leider ist es hier so überlaufen, das wir uns eine Besichtigung sparen.

Wir entschließen uns weiterzufahren. Es folgen viele grüne und fruchtbare Täler, in denen viel Landwirtschaft betrieben wird. Wir sind schon über 100 km geradelt und suchen einen Rastplatz. Wir werden nicht fündig, denn jedes Stück Land ist eingezäunt oder mit Wassergräben unzugänglich gemacht. Auf einer Anhöhe über der Landstraße entdecken wir eine Zuflucht.

Leider liegen hier überall Rinder- und Schafskelette herum und somit finden wir wieder einmal keinen geeigneten Camp Spot. Wir entschließen uns bis nach Persepolis weiter zu radeln.

Plötzlich kämpfen wir mit stärkstem Gegenwind, obwohl wir eh schon am Ende unserer Kräfte sind. Wir können uns kaum auf den Rädern halten. Mit dem ganzen Gepäck und Wasservorräten, die in dieser Region unerlässlich sind, ist ein Weiterfahren fast unmöglich. Wir sehen unsere Hand vor Augen nicht mehr durch den aufgewirbelten Sand. Von hinten braust ein Moped an uns heran mit zwei Halbstarken, die versuchen, Ranes Jacke vom Gepäck zu zerren. Beinah geraten dabei alle zu Fall. Die Burschen kriegen einen Schreck, weil Rane auch lauthals drauflos schreit.

Sie ist geschockt, von der erstmals dreisten Erfahrung dieser Art.

Es taucht ein kleiner Laden auf, der gerade mit Getränken beliefert wird.

Wir gönnen uns im Schutz der Hütte eine iranische Cola und verarbeiten die groteske Situation. Zamzam ist die iranische Antwort auf Coca Cola und schmeckt aus der Glasflasche in diesem Moment einfach köstlich. Wir kämpfen uns um einige Kilometer weiter durch den Sturm.

Nicht ganz ungefährlich, aber wir wollen vermeiden bei Nacht zu fahren. Irgendwann lässt der Sturm wieder nach und die Sonne brütet wie eh und je. Es wird Abend und wir erreichen völlig abgekämpft Persepolis. Ein paar Kilometer vor den Toren der Ausgrabungsstätte entdecken wir eine kleine Hotelanlage. Es gibt noch ein erschwingliches Zimmer für diesen Ort. Wir haben Glück und freuen uns auf dieses archäologisches Highlight am nächsten Tag.


Persepolis ist ein riesiges Areal. Die ehemalige Hauptstadt des Perserreiches wurde von Alexander des Großen zerstört und niedergebrannt. Sie wurde im Laufe der Jahre mit Wüstensand bedeckt und so für die Nachwelt außergewöhnlich gut erhalten. Die Palaststadt liegt auf einer künstlich angelegten ca. 15 ha großen Terrasse. Teilweise ist sie hervorragend rekonstruiert worden.

Noch immer werden einige Tempel mit internationaler Hilfe restauriert.




Teilweise gab es hier Tempel mit 36 Säulen, die über 20 m hoch sind.



Xerxes hat hier geherrscht und die Anlage gegen Lohn entstehen lassen und nicht von Sklaven!

Von hier aus konnte man das ganze Tal überblicken; die Pracht des Perserreiches.

Der erste Anblick ist kolossal und atemberaubend.



Mit uns sind zahlreiche Touristen aus allen Herren Ländern. Die Sonne brennt gnadenlos, doch der Anblick hält uns bei Laune und beflügelt unsere Fantasie. Es ist relativ leicht, sich vorzustellen, wie das Leben hier einst stattgefunden haben muss. Zahlreiche meterlange Reliefs lassen uns in die Vergangenheit eintauchen.







Die Tempel und Treppen sowie die eigentliche Terrasse wurden aus riesigen, tonnenschweren Steinblöcken errichtet und nicht selten überkommt einen die Frage:

Wie war das 500 v. Chr. möglich?


Es gab zum Beispiel einen 100 Säulenpalast der ca. 70 m x 70 m umfasste.

Einst der größte Saal, den die Menschheit bis dato kannte. Alexander ließ leider alles niederbrennen, was größer als die von den Persern zerstörte Akropolis schien.






Die gigantischen Tore und Skulpturen mit Adlerflügeln oder Pferde mit Adlerköpfen, sowie menschenähnliche Sphinxe verleihen auch heute noch den Anschein nach Höherem.

Die kunstvollen Darstellungen trotzen jedem Vergleich zum Jetzt. Locker kann man hier ein paar Stunden umherlaufen, wenn einem die gnadenlos scheinende Sonne nichts ausmacht.

Wie die Erbauer damit fertig wurden, ist mir ein Rätsel …





Unser nächstes Ziel ist Shiraz.

Wieder einmal ist nun die Wüste unser Zuhause und die Landschaft ist trotzdem abwechslungsreich.



Wir meistern einige Höhenmeter bei extremer Sonne und müssen nun noch öfter in den wenigen Schattenplätzen pausieren. An den Dreck der Straße und den Sand, der von nun an überall steckt, kann man sich gewöhnen. Unter dieser Sonne den ganzen Tag zu strampeln, ist allerdings heftiger als gedacht. Trotzdem haben wir nun schon seit unsrem Start in Deutschland über 9000 km zurückgelegt. Es ist jetzt Anfang Juni und eigentlich wollten wir zu dieser Zeit schon am Persischen Golf sein, um dann der Hitze mit einem Flug gen Asien auszuweichen. Doch es kommt anders als gedacht. Aus Liebe zu diesem Land wollen wir die Strapazen auf uns nehmen und noch länger herum radeln. Das wird auf jeden Fall eine weitere Erfahrung in Sachen: Fahrradfahren mit viel Gepäck bei extremer Hitze. Wir müssen einige Hügel und Berge erklimmen. Somit ein Auf und Ab.


Wir erreichen Shiraz auf etwa 1500 Hm. Hauptstadt der Provinz Fars.

Die Stadt ist recht groß und hat fast zwei Millionen Einwohner. Trotzdem kommen wir mit unseren Rädern ganz gut zurecht. Hupende Autos, Taxis und viele Motorräder, die alle um die Gunst des Stärkeren buhlen, sind für uns nun schon ein gewohntes Bild. Im Vergleich zu Esfahan ist Shiraz aber eher eine Kleinstadt. Wir ergattern ein gutes Hotelzimmer und gönnen uns ein paar Tage Erholung und Wiederauffrischung unserer Kräfte. Dabei erkunden wir die Stadt, die in einer fruchtbaren Senke liegt. Um uns herum erkennen wir die kargen, schroffen Berge, die uns einmal mehr wissen lassen, dass wir jetzt endlich in Tausend und einer Nacht angekommen sind.




Wieder einmal sind wir beeindruckt von den ausdrucksstarken Moscheen und der Geschäftigkeit der Bazare, in denen wir uns treiben lassen. Highlight ist die Nasirolmolk Moschee mit ihren bunten Fenstern.


Nasir-ol-molk Moschee / Außen unscheinbar, aber im Inneren eine Pracht.










Die schönste Gebetsstätte, die ich bisher sah ... Nasirolmolk Moschee!


Fussgängerzone in Shiraz






Weiter geht’s Richtung Dschahrom.

Bekannt für einen Höhlenkomplex unweit der Stadt und dem Anbau von Datteln.


Dattelplantagen



Wir erreichen Lar, einstiges Handelszentrum im Süden für die Waren, welche über den persischen Golf in das persische Reich fanden und umgekehrt. Die Landschaft wird immer karger, felsiger und staubiger. Alles ist knochentrocken. Während wir von Esfahan aus immer wieder an riesigen Palmplantagen vorbeifuhren, die durch meterhohe Mauern vor Eindringlingen geschützt sind und die Datteln in allen Formen, Farben und Geschmäckern sichern, tauchen nun nur noch selten Palmen oder Plantagen auf.




Das Thermometer steigt auf über 40 °C im Schatten. Das Radfahren wird zur Herausforderung!

Die täglichen zurückgelegten Kilometer werden immer weniger.

Wir kommen an die Grenze unserer Belastbarkeit.



Als wir uns wieder einmal von einem Schattenplatz unter einem Bäumchen auf die Weiterfahrt machen, hält plötzlich ein Fahrzeug neben uns und ein älterer Herr steigt aus. Wir sollen einen Moment warten, bedeutet er uns.

Aus seinem Kofferraum holt er eine Stiege Pfirsiche, füllt sie in eine Tüte und überreicht sie uns.

Wir sind überrascht und nehmen dankend an. Mit einem breiten Lächeln verabschieden wir uns und das Auto mit dem alten Herrn braust davon. Wieder einmal beschenkt man uns und wir laben uns an den saftigen Früchten. So gestärkt, fällt uns die Weiterfahrt leichter.


Derweil vernehmen wir harsche Töne vom amerikanischen Präsidenten gegenüber dem Iran, obwohl sie sich strikt an das vom Westen ausgearbeitete Atomprogramm halten.

Das soll einer verstehen. Noch ca. 250 km bis Bandar Abbas, der Küstenstadt am Persischen Golf, in der wir eine Fähre Richtung Dubai ergattern wollen. Es wird immer heißer. 47° Celsius.


Nur schwer kommen wir voran. Am frühen Morgen fährt es sich am besten. Doch schnell hat uns die glühende Sonne eingeholt. Wir hangeln uns von der nächsten Raststätte zu einem kleinen Kiosk. Suchen dort nach Schatten und trinken etliche Liter Limonade oder iranische Cola.

Der Wasservorrat ist nun überlebenswichtig. Uns dürfen keine Fehler unterlaufen, was den Transport oder das Wiederauffüllen betrifft. Wir rasten unter winzigen Bäumen, an Felswänden oder Sträuchern, die ein wenig Schatten spenden. Jede Bewegung wird zur Qual.



Schon am Nachmittag suchen wir einen Camp Spot in den Weiten der Wüste.

Das Schieben durch den heißen Sand wird zur Tortur. In solchen Situationen müssen wir den Spaß wirklich suchen. Überall Dornengestrüpp und sehr kleine Skorpione, mit denen nicht zu spaßen ist. Erhöhte Aufmerksamkeit ist nun angebracht beim Auf- und Abbau des Zeltes. Meine Luftmatratze leckt. Ich wache morgens auf dem harten Boden auf. Leider sind es unzählige, winzige Undichtigkeiten, die man so nicht mehr flicken kann. Gerade jetzt könnte ich Schlaf wirklich gut gebrauchen.



Die Hitze auch in der Nacht ist unerträglich. Man kommt nicht mehr zur Ruhe.

Das Essen ist nur noch reine Nahrungsaufnahme ohne Genuss. Wir sind morgens und abends zu müde, um großartig zu kochen. Einmal kommen wir an die totale Grenze des Ertragbaren, als wir keine Möglichkeit finden unsere Wasservorräte aufzufüllen. Durst ist nur schwer zu ertragen.

Wir wachen nachts auf vor Durst und müssen mit wenigen Schlückchen am nächsten Morgen noch viele Kilometer weiterfahren. Ödes Land, Einsamkeit. Nur die Straße. Kein Laden. Kein Kiosk.

Nur Sand und Sonne. Wir rasten unter einer Brücke. Legen uns in den Schatten.

Aber wir müssen weiter. Wo ist der nächste Baum oder der nächste Schatten spendende Strauch? Irgendwann taucht eine Raststätte vor uns auf. Eine Fata Morgana? Das war knapp.

Wir sind so am Ende, dass wir unser Zelt hinter der Stätte aufschlagen wollen, um uns auszuruhen. Nach einer Weile kommt eine nette Frau vorbei und versucht uns mitzuteilen, dass wir besser in dem Gebetsraum nebenan schlafen können. Wir kochen uns noch eine Instantsuppe, Wasser konnten wir ja wieder auffüllen, trinken noch gefühlte zwei Liter Limonade und ziehen dann in den Gebetsraum. Das kennen wir ja schon aus der Türkei, dass es an vielen Tankstellen und Raststätten einen Gebetsraum gibt und der natürlich nur im Notfall als Unterkunft herhalten muss. Am nächsten Morgen können wir sogar noch duschen und sind wesentlich motivierter als am Vortag.




Es sind noch ca. 50 km bis Bandar Abbas. Wir fahren noch einmal 20 km in einer unglaublichen Gluthitze und pausieren vor einem Kiosk, dessen Existenz in dieser Einöde surreal wirkt.

Die Landschaft erinnert jetzt irgendwie an eine Szene aus Mad Max.

Wir laben uns an eiskalter Cola und sitzen auf dem Boden.



Hin und wieder strandet der ein oder andere, um eine nächste Mitfahrgelegenheit zu ergattern.

Wir geben nicht auf und versuchen es wieder. Nach ein paar Kilometern geht es nicht mehr weiter. Der Wind ist so heiß, dass wir kaum noch atmen können. Ich stehe am Straßenrand, weil der Schatten unter dem Strauch nur für eine Person reicht. In der Ferne sehe ich einen LKW mit Ladefläche. Das kann kein Zufall sein. Kurzerhand strecke ich die Hand raus und der Wagen hält. Wir können unsere Räder aufladen und der freundliche Iraner nimmt uns 10 km mit.

An der nächsten Kreuzung laden wir ab und schon steht der Nächste dort, der uns mitnehmen kann. Ein Araber, der kein Wort Englisch versteht, aber einen guten Musikgeschmack hat.

Wir juckeln bis ein paar Kilometer vor Bandar Abbas und sind heilfroh so ein Glück gehabt zu haben. Die restlichen Kilometer bis in die Stadt sieht man uns ehrfurchtsvoll an, denn ein normaler Mensch würde bei diesen Temperaturen auf gar keinen Fall in dieser Gegend Fahrradfahren.

Einige beklatschen uns und jubeln uns zu. Immer wieder begießen wir uns mit dem restlichen Wasser, welches innerhalb von wenigen Minuten verdunstet.

Der heißeste Ort, den wir jemals bereist haben. Wir haben also den Iran im Frühsommer durchquert. Das wollten wir eigentlich vermeiden, denn es ist fast unmöglich. Aber aus Liebe zu diesen Menschen und dem Land sind wir ein Risiko eingegangen.

Eins steht fest: Eine geplante Wüstendurchquerung mit dem Rad steht nicht mehr auf der Bucketlist. Das war schon sehr nah dran!


Wir besorgen uns unsere Fährtickets nach Dubai in einem Reisebüro.

Verbringen ein paar laue Tage in der Stadt und erholen uns wieder.

Ich habe bestimmt zehn Kilo verloren. Der Golf ist im Sommer einfach unerträglich.


Bandar Abbas

Trump tönt in den Medien. Die Iraner lässt das alles kalt. Wir haben eher ein ungutes Gefühl und sind zwiegespalten, als wir die Fähre besteigen. Einerseits sind wir froh, der Hitze und dem spannungsgeladenem Grenzgebiet zu entfliehen. Anderseits trauern wir den vielen netten Menschen hinterher, die uns so wohlgesonnen waren. Niemand ist uns mit Argwohn gegenüber getreten.

Die Meisten wollten uns irgendwie weiterhelfen, auch wenn wir einfach nur mal eine Pause einlegen wollten. Bei soviel Interesse, Zuneigung und Herzlichkeit, die uns zuteil geworden ist, kann man nur mutmaßen, dass die offizielle Regierung selbst nicht so ist, wie sie in den Medien dargestellt wird: Der Dämon, der den Weltfrieden gefährden will (den es ja gar nicht gibt) oder der sein Volk in Ketten legen will.

Ja, Religion im Staat und dessen individuelle Auslegung ist nicht durchführbar und führt immer zu Unmut und Unterdrückung. Aber dieses stolze Volk, voller bewundernswerter Eigenschaften, wird hoffentlich einen Wandel herbeiführen, um im Glanz ihrer Liebenswürdigkeit einzigartig auf dieser Erde zu erstrahlen. Man kann nicht ewig Unterdrückung aufrechterhalten.

Irgendwann muss der Druck nachlassen …

Es gibt auf dieser Erde so viel zu entdecken und oftmals verstehen wir die Dinge nicht, weil wir einfach zu weit entfernt sind. Nicht nur geographisch, sondern auch mental.

Man muss sich einer Kultur erst nähern, bevor man sie verstehen kann. Was uns im Iran entgegen aller vorherrschenden Propaganda begegnet ist, ist vor allem ein stolzes Volk mit einem riesigen Herzen. Wir wurden von Fahrzeugen auf der Straße angehalten und man ist nur ausgestiegen, um uns mitzuteilen, dass wir willkommen sind. „Welcome to my land!“ Man schüttelt uns die Hände und heißt uns Willkommen. Immer wieder. Das sind echte Gesten des Willkommens, die von einem Herzen rühren, dass größer ist, als wir es zuvor für möglich gehalten haben.

Da kann sich in Deutschland ein jeder eine Scheibe von abschneiden. Warum sind wir nur so zurückhaltend und kühl? Die Iraner lieben es zu essen und dabei ein gutes Gespräch zu führen.

Essen ist elementar und nirgendwo sonst, sehen wir so viel Möglichkeiten frische Tomaten, Gurken, Kräuter und Brot zu kaufen. Ganz einfache Lebensmittel, die richtig kombiniert, uns einladen, zu einem Miteinander ohne nach der Herkunft zu fragen. Man beschenkt uns unzählige Male, obwohl man uns nicht kennt. Dem Reisenden wird Essen angeboten und man teilt seine Ration, weil es Menschen miteinander verbindet. Es gibt ein gutes Gefühl miteinander gegessen zu haben … Nirgendwo sonst werden wir so oft angesprochen. Die Freude und das Gutherzige wird uns oft zuteil. Und ich bin mir sicher, dass es vielen so geht. Ein Lächeln auf einem Gesicht kann so viele Türen öffnen und nur selten sieht man im Iran Missmut. Natürlich gibt es dieses Regime.

Den auferlegten Islam, der eigentlich mit Persien überhaupt nichts zu tun hat.

Und es gibt mit Sicherheit viel Ungerechtigkeit, die nichts von all dem rechtfertigt.

Wir haben davon so gut wie nichts gespürt. Rane muss ein Kopftuch tragen und wir entsprechende Kleidung. Frauen dürfen nicht Radfahren und all dieser Schwachsinn, den die Religion erfindet.

Die Menschen, denen wir begegnen, haben sich damit in den letzten Jahrzehnten arrangiert.

Einige gehen dreimal am Tag beten und glauben an Allah. Viele andere hingegen tun nichts dergleichen. Leben ihr Leben wie Du und ich. Aber es wird toleriert und akzeptiert.

Letztendlich kommen alle wieder gemeinsam zusammen und sind Menschen, die Ihr Leben leben. Natürlich ist der Drang nach Freiheit da, doch ich denke, dass sich die Menschen diesen selbst erkämpfen müssen. Ich glaube nicht, dass dies von einer ausländischen, Grals-bringenden Nation herbeigeführt werden kann. Ich habe auch das Gefühl, das sich etwas ändern wird im Laufe der Generationen. Das Internet bringt auch im Iran jede Ansicht und Denkweise in die Häuser.

Der Iran schottet sich ja im Übrigen nicht selbst ab, sondern unterliegt internationaler Sanktionen. Während unserer Reise fühlen wir uns sehr sicher. So sicher, wie nie zuvor auf unseren Reisen.



Mit einem sehnsüchtigen Lächeln erreichen wir am nächsten Morgen den Hafen von Dubai beziehungsweise den Stadtteil Schardscha. In aller Ruhe lassen wir allen Formalitäten ihren Lauf, die wir in den letzten fast 15 Monaten schon so oft durchlebt haben. Nach 1,5 Stunden wird noch schnell unser Gepäck unter den staunenden Blicken der Beamten durch den Scanner geschickt und wir radeln morgens durch den Moloch Dubai. Sechsspurige Straßen, Luxuskarossen, Hochhäusermeere wie in einem Sciencefictionroman und zwei deutsche Fahrradfahrer bei 47° Celsius.

Der Anblick und der Gegensatz zu den letzten Monaten könnte kaum größer sein.

MapsMe lotst uns hervorragend durch das Straßengewirr zu unserem Hotelzimmer.




Der Tachometer überspringt die 10000 km … Was für ein Trip!

Unser größtes Etappenziel ist erreicht und gleichsam auch ein altes Gefühl, weswegen wir auch unter anderem unsere Heimat verlassen haben: Routine.

Sie hat sich in den letzten Monaten so eingeschlichen, dass es uns kaum bewusst geworden ist.

Das Radfahren und Radreisen ist für uns Alltag geworden. Jeder Tag oder jede Woche hat zwar noch immer landestypische Überraschungen parat, aber das Beschreiten des Weges an sich erfolgt immer demselben Schema, dem wir so aber nicht entfliehen können. Der Geist des Radfahrens ist durch die Bewältigung der täglichen Bedürfnisse, wie Schlaf, Essen und Weiterkommen irgendwie eingeschlafen. Wir sind zu Sklaven unseres Vorankommens geworden … unsere Gedanken lassen sich nur schwer ordnen, während wir durch die schnellste wachsende Stadt auf diesem Planeten wandern. Wir fühlen uns verloren und wissen nicht so recht weiter.

Nach ein paar Tagen der Erholung beschließen wir, zwar weiterzureisen, doch nun einfach mal ohne Rad. Wir brauchen eine Pause vom Alltäglichen. Wir haben unsere Grenzen erforscht; körperlich wie mental. Jetzt ist Zeit für Erneuerung. Wir lagern unsere Räder ein und packen unsere Rucksäcke für einen fast sechsmonatigen Trip durch Ostasien. Ein paar Wochen später sitzen wir voller Gespanntheit an einem Streetfoodstand in Bangkok und schlürfen Suppe und verfolgen die Geschäftigkeit der ewig lächelnden Thailänder. Unsere Reise geht weiter ...


Unser Leben vernimmt einen anderen Verlauf als wir uns zugedachten. Wie schon so oft.

Doch wir leben noch und was kann schöner sein, als das Leben selbst?!

Selbst mit allen Schicksalsschlägen, Wirrungen und Entbehrungen, die uns widerfuhren, vergrößern wir unsere Sicht und unser Bewusstsein und somit unsere Weisheit, ein besserer Mensch zu werden. Das wird mit Sicherheit nicht unsere letzte Fahrradreise sein. Aber eine unserer Schönsten!


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