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AutorenbildPatrick

Salam Azerbaijan


Wir erreichen im Frühling 2019 Aserbaidschan von Georgien kommend.

Es besteht eine Visumpflicht. Visa konnten wir vorher problemlos online über www.evisa.co.az beantragen und in einem Hotel ausdrucken. Von Tblisi über Rustawi orientieren wir uns an der Kura, die durch Tblisi (Tiflis) fließt. Der Grenzübergang bei Shikhly verlief relativ unspektakulär und innerhalb von 10 Minuten wechseln wir die Länder. Als Erstes fällt ein protziges Portal auf. Dieser Protz sollte uns nun an jedem Stadt- bzw. Provinzeingang begleiten. Wie an vielen Grenzübergängen im Osten, treffen wir auch hier auf nervige Geldwechsler, die einen mit schlechten Kursen abzocken wollen. Vorbei an den ersten Snackbuden gibt es tatsächlich einen Smartphoneshop. Nach ungefähr fünfzehn Minuten habe ich eine Simkarte gegen restliche, georgische Lari getauscht. Und habe Glück, denn ich wurde nicht übers Ohr gehauen.


Das heißt nicht, das alle Aserbaidschaner Leute übers Ohr hauen wollen. Aber man begegnet schon einer gewissen Schlitzohrigkeit, die aber wahrscheinlich reiner Überlebenskampf ist, in dieser Welt des globalisierenden Kapitalismus, wo es so viele Verlierer gibt und nur wenige Gewinner.

Ein Stück weiter gab es einen Geldautomaten, wo ich zum ersten Mal ein paar Manat ziehen konnte. So heißt die aserbaidschanische Währung. Das lief ja nicht schlecht …


Noch grün und beschaulich. Wir verlassen den Kaukasus.


Völlig unvoreingenommen lassen wir unsere schwer bepackten Reiseräder weiter gen Osten rollen. Im nächsten Dorf finden wir einen kleinen Lebensmittelmarkt und versorgen uns mit Wasser und Brot, Käse und Eiern. Eine Flasche Bier hat auch noch Platz.

Weiter geht es durch karge Landschaft, aber dennoch grün, unserem ersten Schlafplatz entgegen.


Eigentlich ist es gut, sich am ersten oder auch noch zweitem Tag in einem Dir fremden Land ein richtiges Zimmer zu nehmen, da man von dort aus sicher die Lage und Gegebenheiten checken kann. Aber wir finden ein so beschauliches Plätzchen zum Campen, dass wir keine Sorgen haben.

In der Entfernung sehen wir berittene Schäfer und auf unserem Camp Spot schienen sie vor nicht allzu langer Zeit schon gewesen zu sein. Eigentlich wollen wir nur eine Pause einlegen, aber als wir einige Landschildkröten entdecken, beschliessen wir, die Nacht auch hier zu verbringen.

Wir kochen eine Kleinigkeit und trinken unser wohlverdientes Bier und sahen in der Dämmerung noch ein paar weitere Schäfer mit ihren Herden in ein paar hundert Metern vorbeiziehen.

Die Nacht ist ruhig, bis auf ein paar Kojoten, die uns mit ihrem Geheul aus dem Schlaf wecken.


Noch ähnelt die Landschaft der von Georgien. Doch das soll sich bald ändern.

Es gibt viel Landwirtschaft auf riesigen Äckern. Die M5 / E60 gen Baku verläuft schnurgerade aus. Ich habe nie weniger Kurven gefahren, als in Azerbaijan; so die hiesige Schreibweise.

Der Highway selbst ist todlangweilig und es vergehen manchmal ein- bis zweihundert Kilometer, ohne eine wahrnehmbare Kurve oder eine Steigung.


Da wir noch vor dem Hochsommer durch den Iran fahren wollen, war hier also der richtige Ort auch mal weit über hundert Kilometer am Tag zu pedalieren.


Wie schon in Georgien kampieren wir vorzugsweise wild.

Leider gibt es hier die Besonderheit, dass grundsätzlich jedes Stückchen Land entlang des Highways oder der Straße durch einen Wassergraben getrennt ist. Das verschlechtert die tägliche Suche nach einem geeignetem Camp Spot. Es ist oft zum Verzweifeln und teilweise müssen wir zwanzig bis dreißig Kilometer zusätzlich fahren, bis wir einen Übergang auf ein Stück Feld oder in die offene Steppe finden, welche in den unbewohnten weiten Ebenen die vorherrschende Landschaft darstellt. Wir verfluchen diese Gräben, während wir mit Feingefühl und der dazugehörenden Demut auf einen Übergang Ausschau halten.



In der nächst größeren Stadt Ganja wollen wir uns zumindest eine Nacht in einem Hotel gönnen, um zu Waschen und zu duschen. Jede Zufahrt in eine größere Stadt kündigt sich mit übertriebenen Toren und Portalen an und auf den letzten Kilometern oft auch aufwendig beleuchtet.

Vorbei dann plötzlich das eher armselig erscheinende Land, dass hauptsächlich von Schafherden und Landwirtschaft geprägt ist. Der karge Boden weicht dann riesigen Betonfassaden.


Die Landessprache lässt kaum Schlüsse auf eine ehemalige Sowjetrepublik zu.

Viel mehr ist es eine Turksprache und man kommt mit ein paar Brocken Türkisch oft weiter als mit Englisch. Unser Visum beträgt dreißig Tage und somit mehr als genug. Jeder Tourist muss sich bei einem länger als 15tägigen Aufenthalt bei der Migrationsbehörde registrieren lassen.

Das wollen wir also jetzt hinter uns bringen und denken, dass dies unser Hotel übernehmen wird, wie es in etlichen Berichten im Internet zu finden ist. Leider trifft das aber nur auf die Hotels in Baku zu, wo die meisten Touristen logieren. Nur wenige Ausländer bereisen das übrige Land.

In Ganja gibt es glücklicherweise eine Zweigstelle der Migrationsbehörde, bei der wir unsere Visa beantragt hatten und wo wir nach einem kurzen Gespräch über unseren weiteren Verlauf unserer Reise, das benötigte Dokument erhalten. Dafür benötigt man den Ausweis, Visum und eine Bescheinigung vom Hotel. Ausführlicher später unter Wissenswertes.

Ganja selbst hat nicht allzu viel zu bieten, außer dem äußerst prunkvollen Boulevard, der Stadteinfahrt und gute Supermärkte.


In weiter Ferne: Kamele

Weiter geht es Richtung Osten.

Nur wenig Abwechselung bietet sich auf den nächsten 400 km bis Baku, der Hauptstadt des Landes. Einige Raststätten und Tankstellen laden tagsüber zum Çay, den wir in rauen Mengen genießen. Der Spätnachmittag und Abend gehört der endlosen Steppe zwischen den riesigen Anbaugebieten. Wir verlassen mindestens einen Kilometer die Hauptstraße weit in die karge, baumlose Steppe hinein, wenn wir fast schon die Suche nach einem geeigneten Übergang aufgegeben haben.

Dabei wollen wir natürlich auch nicht gesehen werden und diese Kombination macht es schwer.

Aber irgendwie klappt es dann doch …


Unterwegs treffen wir den einzigen Radreisenden: Louis, le vagabond.

Der Name ist Programm.

Er schimpft über die Aserbaidschaner, die einem nur das Geld aus der Tasche ziehen wollen ...

Ein verrückter Kerl auf einem Klapprad und Bauarbeiterhelm! Von Frankreich aus ... und zurück!

Die typischen, kargen Stände am Straßenrand.

Das Land an sich ist arm und wir ernähren uns eher spartanisch.

Hauptsächlich von Brot, Tomaten, Gurken und Käse, die wir in winzigen Läden in den Dörfern oder am Wegesrand erstehen. Außer den LKWs und Autos auf dieser Straße begegnen wir nur wenig Menschen. Schafherden und Kamele säumen unseren Weg. Das Leben ist mit Sicherheit nicht einfach, wenn man nicht eine Gas- oder Ölquelle besitzt, die am Kaspischen Meer immer häufiger auffallen oder in den wenigen Städten wohnt.



Die Landschaft verändert sich noch mehr als wir uns Baku nähern.

Immer mehr Sand macht sich breit.


Riesige Industrieanlagen und Raffinerien kündigen die Hauptstadt an, die uns jetzt sehr unwirklich erscheint.



Schlammvulkane

Baku am Kaspischen Meer hat einen riesigen Hafen. Immer mehr macht sich jetzt der eigentliche Reichtum des Landes bemerkbar: Öl und Gas.




Die Stadt verändert sich rasant und erscheint wie ein kleines Dubai mit seinen Fassaden und futuristischen Hochhäusern. Hier scheint sich das komplette Geld des Landes zu konzentrieren.

Die Millionenstadt ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes.



Die Altstadt und der Jungfrauenturm sind sehenswert.


Alt und Moderne


Es gibt viele Hotels und meistens übertrieben teuer, so entscheiden wir uns frühzeitig für ein Apartment über Airbnb. Wir bleiben ein paar Tage, um uns die Stadt anzuschauen und ich finde endlich Zeit, meine Ortlieb Backroller zu reparieren, die ich schon in der Türkei nur notdürftig geflickt habe. Dafür hat mir Ortlieb nach Georgien ein Ersatzteil geschickt, welches ich nun in aller Ruhe auswechseln konnte.




Nach ein paar Tagen des Flanierens und der Entspannung verlassen wir Baku und sind nicht gerade traurig darüber. Irgendwie fehlen die entsprechenden Vibes und wir finden nur schwer Kontakt zu den Einheimischen. Das mag mit an der Sprachbarriere liegen, aber auch mit Sicherheit an der Stadt selbst. Geld bestimmt hier mehr als anderswo das Leben.

Vielleicht liege ich mit meiner Einschätzung falsch. Das würde aber nur bewahrheiten, dass man sich wesentlich mehr Zeit nehmen sollte, als nur ein paar Wochen, um ein Land kennenzulernen.


Right in the middle of ...

... nowhere


Unser nächstes Ziel heißt nun Astara. Die Grenzstadt im Süden des Landes liegt auch am Kaspischen Meer. Bis dahin sind es noch ein paar hundert Kilometer und wir genießen wieder die Verschlafenheit der kleinen Dörfer und der Steppe. Bald wird es langsam wieder grüner ...

Als wir Astara erreichen, können wir es kaum erwarten in den Iran einzureisen.

Die Vorfreude auf den Iran war meinerseits riesig und die Erwartungen sollten um ein Vielfaches übertroffen werden ...




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